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Altoona Park und Kinderkunstlabor

Pädagogik

Autor:

Green Steps

Short summary:

Dieser Artikel fühlt einem streitbaren Projekt an der Schnittstelle von Stadtplanung, Kunstpolitik, Umweltschutz, Verwendung von Steuergeldern, und Pädagogik auf den Zahn. Warum trifft eine Gesellschaft Entscheidungen, die im Widerspruch zu nachhaltiger Entwicklung stehen?

Der Altoona Park und das Kinderkunstlabor, kurz Kikula, ist in St. Pölten seit geraumer Zeit ein Streitobjekt. Eine Bürgerplattform hat gar dagegen demonstriert und im Gemeinderat gingen zwischen den Parteien die Wogen hoch. Es verschränken sich darin vielschichtig die Probleme, die nicht nur in dieser Stadt, sondern weltweit, effektive Maßnahmen gegen den Klimawandel blockieren. Wir haben uns vor ein paar Tagen den Altoona Park genauer angesehen, weil am 24. Oktober im Gemeinderat beschlossen wurde, mehr als eine halbe Million Euro freizugeben, um die vorbereitenden Baumaßnahmen für die Errichtung des Kikula einzuleiten.

Unser ökologischer Bericht wurde bereits von Gloria Corradini letzte Woche veröffentlicht und bestätigt, dass der Altoona Park trotz einer Fläche von nur 5500 m2 eine hohe Baum-Biodiversität im Stadtzentrum aufweist. Der Altoona Park kommt in St. Pölten mangels der Existenz eines formellen botanischen Gartens, dieser Definition mit Ausnahme des Südparks in der Voith Villa am nächsten. 16 Arten von Bäumen sind eine überdurchschnittliche Zahl. Zum Vergleich: Im viel größeren Hammerpark haben wir nur 10 verschiedene Arten gefunden.

In diesem Artikel soll es jedoch um die Dynamik gehen, die dazu geführt hat, das Kikula im Altoona Park zu bauen. Dazu wollen wir uns ansehen, warum dieses Projekt geplant wird, was dafür spricht, und was dagegen. Denn ganz oberflächlich betrachtet, ist ein schönes Gebäude im Zentrum der Stadt, in dem Kinder im Alter von 6-12 sich der Kunst, betreut von professionellen Künstlern widmen, eine tolle Idee und ein Gewinn für die Bevölkerung. Die Entscheidungen sind ohnedies gefallen und können nur unwahrscheinlich rückgängig gemacht werden, daher fühlen wir dieser neuen Realität auf den Zahn und betrachten, welchen Mehrwert und welche Folgeprobleme sie für St. Pölten bringen wird.

ARCHITEKTUR UND KINDER

Als Architekturfan muß man unzweifelhaft festhalten, dass es St. Pölten an modernen Blickfängen fehlt. Graz hat das Kunsthaus, Linz das Lentos, Wien das Museumsquartier, doch in der jungen Landeshauptstadt St. Pölten fehlt ein innovatives Gebäude, das die Gesellschaft verbindet und die bestehende Lücke eines architektonischen „landmark” füllen könnte. Insofern hat Bürgermeister Stadler recht: „Es ist nicht bloß eine weitere Kultureinrichtung, sondern verfolgt ein ganz neues Konzept, nach dem Kinder mit allen Formen von Kunst und Kultur in Berührung kommen und ein Leben lang begeistert bleiben können. Es wird ein extrem lebendiger Ort, ein wirklicher Anziehungspunkt“.

Der Entwurf des Schweizer Architekten Michael Salvi hat sich gegenüber mehr als 40 Einreichungen durchgesetzt, wohl auch wegen seiner Kompaktheit, die sich in den kleinen Altoona Park besser einfügt als so manch anderer Plan. „Ein Haus in einen Park zu bauen ist nicht alltäglich“, so der Architekt. Er sprach von einer einzigartigen Aufgabenstellung, einerseits radikal aus der Kinderperspektive zu denken, andererseits aber einen ernstgemeinten Kunstbegriff zu vermitteln. „Den Planern ist es gelungen, eine innovative, spannende, ökologische und auf die Bedürfnisse der Kinder eingehende Architektur zu entwerfen“, sagte Landeshauptfrau Mikl-Leitner zum Entwurf.

Mikl-Leitner kann nur bedingt zugestimmt werden, denn ob das Gebäude, welches Kosten von 15-17 Millionen Euro verursachen wird, wirklich den Bedürfnissen von Kindern entspricht, ist fragwürdig. Da ist einmal die Tatsache, dass eigentlich nur die zweite Ebene und der indoor Spielplatz, welcher ein Drittel des Erdgeschosses einnimmt, für die Kinder zur Verfügung steht, während die dritte Ebene Büros, die erste Ebene Ausstellungsflächen und zwei Drittel des Erdgeschosses der Gastronomie und damit eher Erwachsenen gewidmet ist. Umgerechnet auf die Gesamtfläche des Gebäudes ist das ein geringer Anteil, rechnet man in Raumvolumen, dann noch weniger, weil die Ausstellungsflächen höhere Decken aufweisen als der Rest der Räumlichkeiten.

Eine relativ schmale Treppe mit mehr als zwei Vollstockwerken Raumhöhe wird im Architektenentwurf als Herzstück des Gebäudes bezeichnet, weil dort Veranstaltungen, Präsentationen und Ähnliches in Form eines Auditoriums abgehalten werden können. Während die Raumhöhe palastartig ist, ist die Treppe sehr schmal gehalten, so dass nur wenige Kinder dort sitzen können, geschweige denn jemand noch passieren kann. Fraglich ist, ob dieses Herzstück von 6-12 Jährigen wirklich genutzt wird, denn jeder Pädagoge weiß, dass Kinder in diesem Alter lieber durch die Gegend laufen oder aktiv an etwas arbeiten, mit jemanden spielen, als in der Art eines Studenten einem Vortrag zu lauschen.

Das Kikula ist als Labor gedacht worden, worunter man einen Ort versteht, an dem aktiv Kunst entsteht. Das Gebäude ist jedoch auf der gesamten Ebene 2 ein Museum, in dem nicht gearbeitet, gespielt, experimentiert, sondern ausgestellt wird. Vom planerischen Konzept her nachvollziehbar, aber der Pädagoge in mir fragt, ob diese massive Fläche sinnvoll ist, denn es fällt schwer sich 6-12 jährige Kinder beim Betrachten von Kunst anderer Kinder vorzustellen. Somit ist Ebene 2 nicht für Kinder gedacht, sondern für die Eltern, die im Erdgeschoß ihren Cappuccino schlürfen, ihre Kinder im Ikea-ähnlichen indoor Spielplatz abgeben und sich von den ausgestellten Kinder Kunstwerken überzeugen, dass es die richtige Entscheidung ist, ihre Sprösslinge für ein Semester oder länger in den Laborräumen einmal pro Woche werken zu lassen.

Inspirierend ist der Zeichensaal auf Ebene 2 und 3, der lichtdurchflutet die Atmosphäre eines Künstlerateliers vermittelt und junge Geister in eine Stimmung versetzten kann, wie es nur gute Architektur vermag. Ich kann mir gut vorstellen, dass dort das eine oder andere Kind von Engagement in Enthusiasmus kippt und wie in Arno Sterns Malort sich frei entfaltet. Die Frage bleibt, ob es richtig ist, diese Möglichkeit auf die Altersgruppe der 6-12 jährigen zu beschränken oder ob es sinnvoll wäre, diese neue Einrichtung auch Jugendlichen zur Verfügung zu stellen.

Standort und Naturbeziehung

Bei der Wahl des Altoona Parkes – so ist es den Medienberichten zu entnehmen - herrschte vor allem Intransparenz. Den Ausschlag für die Entscheidung dürfte die Nähe zum bestehenden Kulturviertel, also dem Museum Niederösterreich und dem Festspielhaus, gegeben haben – und das ist nachvollziehbar. Der stark befahrene Schulring macht den Park zu einem Ort, in dem man nicht wirklich verweilen will. Ob die Holzpalisaden und der Hügel einen wirklichen Lärmschutz herstellen, wird man sehen. Ein Problem lösen sie nicht: Sicherheit. Ich könnte mich als Vater nicht entspannt in die einladende Terrasse vor dem Cafe setzen, wenn das Außenareal des Kikula nicht von öffentlichen Fahrbahnen abgegrenzt ist.

Der angrenzende Mühlbach im Osten des Grundstückes bringt das Element Wasser ein, und die geplanten Stufen werden sicherlich das eine oder das andere Kind fesseln, allerdings nicht zur Kontemplation wie es der Architektenplan beschreibt. Kontemplation ist ebenfalls nicht gerade eine übliche Tätigkeit, der diese Altersgruppe nachgeht. Vielleicht werden die Kinder aber schwimmende Objekte aus Herbstlaub oder den vielen verschiedenen Nadelbaumzapfen anfertigen, welche im Altoona Park zu finden sind, und diese von dort Richtung Donau schwimmen lassen. Ebenso könnten an gewissen Tagen Lichterboote abgestossen werden. Die Möglichkeiten sind vielfältig.

Interessant ist, dass der Plan für die Außenraumgestaltung zwei Naturdenkmäler im Altoona Park erfasst. Faktum ist, dass es im Altoona Park kein Naturdenkmal gibt, aber eine große Sommerlinde und ein kleiner Riesenmammutbaum nebeneinander direkt gegenüber der Theodor-Körner Schule wachsen. Im Außenraumplan der Architekten wird ein Mammutbaum beim Schulring verortet. Dieser Fehler hinterläßt einen unseriösen Eindruck und schafft etwas Besorgnis: kann man den Zusicherungen des Bauherren trauen, dass der Baumbestand nicht wesentlich reduziert wird? Wie ernsthaft hat man sich mit dem Außenraum beschäftigt?

Wenn man den Plänen glauben darf, dann wird der Riesenmammutbaum (Sequoiadendron giganteum) neben der Sommerlinde nicht dem verlängerten Vorplatz in Colorasphalt zum Opfer fallen, und der Urweltmammutbaum (Metasquoia glyptostroboides) direkt neben dem Gebäude nahe des Schulringes bestehen bleiben. Die gefährdete Atlas-Zeder (Cedrus atlantica) wird man ebenso wie einige andere mittelgroße Exemplare fällen müssen und es drängt sich die Frage auf, warum das Gebäude nicht in das südwestliche Parkeck gesetzt wurde. Rechtfertigt der Lärmschutz die Entfernung einiger doch recht beachtlicher Bäume? Wenn nicht anders möglich, so wäre es sehr wünschenswert, wenn diese Bäume nicht gefällt, sondern in den südwestlichen Teil des Parks so wie hier versetzt werden.

Worüber man sich einige Gedanken gemacht hat ist die Gestaltung des Vorplatzes und die Wegeführung, welche aus geschliffenen oder gefrästen Colorasphalt geschaffen wird. Eine gute Mischung aus hochwertiger, konventioneller und wartungsarmer Oberfläche wird es laut Plan. Wir wünschen uns, dass der südliche Teil des Parkes nicht durch den verlängerten Vorplatz durchtrennt wird, sondern das südwestliche Parkeck mit dem südöstlichen Teil verbunden bleibt. Der Sommerlinde wird die durch die Asphaltierung entstehende Bodenverdichtung nicht gefallen.

Insgesamt betrachtet wird der Park trotz aller Kritik durch das Kikula wesentlich an Wert gewinnen. Die verbaute Fläche wird durch einen neuen Grünraum in unmittelbarer Nähe ersetzt: direkt neben der Jahnschule waren früher Tennisplätze, die laut Magistrat in einen Pocket-Park umgewandelt werden sollen. Eine gewisse Lärmdämmung ist durch das Gebäude möglich und der bisher schwach besuchte Park wird durch die Neugestaltung ohne Zweifel um Vieles attraktiver. Es bleibt zu hoffen, dass wirklich mit dem Baumbestand gearbeitet wird und die relativ wilde Fläche neben dem Mühlbach unangetastet bleibt. Sie ist ein gesunder Gegensatz zum künstlichen Park und gibt den Kindern den unmittelbarsten Zugang zu Natur. Das Thema Sicherheit und Abtrennung von den angrenzenden Straßen bleibt zu beantworten.

Pädagogik und Inklusion

Ken Robinson ist bekannt dafür, dass er in der Bildung für eine Gleichwertigkeit von MINT und bildender sowie darstellender Kunst argumentiert. Er hat erklärt, dass alle von ihm untersuchten Lehrpläne einer Hierarchie unterliegen, die Mathematik und Sprachen über die Geisteswissenschaften stellt und Kunst als die am wenigsten zu erstrebende Fähigkeit einordnet. Innerhalb der Kunst ist wiederum der Tanz an unterster Stelle zu finden. MaW verabscheuen wir den Körper und verehren den Geist. Je geistiger Bildungsinhalt wird, um so besser wird er gemeinhin für Schulen als geeignet gesehen. Je körperlicher er ist, um so weniger will man Kinder sich damit intensiv auseinandersetzen lassen.

Robinson meint, daß dieser eindimensionale Zugang auf Bildung zu einer beschränkten Kreativität führt und wichtiger, vielen Kindern früh die Möglichkeit nimmt, ihr Element zu finden. „Die Bildung“, so sagt Robinson, „bringt viele Menschen in gewisser Weise von ihren natürlichen Talenten ab. Und mit den menschlichen Ressourcen ist es wie mit den natürlichen Ressourcen: Sie sind oft tief vergraben. Man muss sich auf die Suche nach ihnen machen, sie liegen nicht einfach an der Oberfläche. Man muss die Umstände schaffen, unter denen sie sich zeigen.“

Das Kikula kann derartige Umstände schaffen, davon bin ich überzeugt, aber wenn wir uns realistisch vor Augen führen, für wie viele Kinder und in welchem zeitlichen Ausmaß dies der Fall sein wird, so müssen wir uns fragen, ob diese beträchtliche Summe an Steuergeld richtig und fair eingesetzt wurde. Das Kikula ist als Institution eine Ergänzung zu den Pflichtschulen und für sich selbst genommen keine Schule. Es wird von Schulklassen temporär aufgesucht, doch diese müssen während der Unterrichtszeit anreisen und das macht eine wiederholte Kunsterfahrung an diesem Standort doch etwas mühsam und frei nach Robinson ein „an der Oberfläche-Kratzen“ bleiben. Engagierte Eltern können ihre Kinder zur Kursen an Nachmittagen schicken, wie dies bereits jetzt an der Musikschule der Stadt oder an den Musik- und Kunstschulen des Landes möglich ist. Somit wird das Kikula einem eher elitären Publikum dienen und sich unter die Institutionen einreihen, die die Gesellschaft mehr teilen denn verbinden.

Inklusive Bildung ist dezentral. Sie wird geplant und entsteht dort, wo die Kinder den Großteil ihrer Zeit verbringen; für die Zielgruppe der 6-12 Jährigen ist dieser Raum zumeist nahe am Wohnort. Würde Geld keine Rolle spielen, dann müßte dem Kikula eine der Tinkering School ähnliche Ausstattung aller bestehenden Schulen bzw Volksheime vorausgehen, wo Kinder in handwerkliche Fertigkeiten, kreatives Planen, nachhaltiges Reparieren und vieles mehr eingeführt werden. Alle jene Tätigkeiten, die Spass machen und Sinn haben, wofür in Schulen aber kein Platz besteht. Das Kikula ist die Krönung einer derartigen Infrastruktur, aber nicht das Fundament.

Im parallel stattfindenden Prozess der städtischen Klimastrategie wurde die Leerstandsanalyse als eine wesentliche Maßnahme festgehalten, um den Klimawandel lokal zu bremsen. Die Renovierung von Volksheimen zB jenes in Viehofen würde Stadtteile attraktiver gestalten, anstatt alle Energie auf das bereits überladene Stadtzentrum zu richten. Kinder könnten direkt in ihrer Nachbarschaft Kunst erfahren, wenn lokale Ressourcen entsprechend aktiviert werden. Die Kosten für Renovierungen von bestehenden Volksheimen und die zusätzliche Ausstattung von vernachlässigten Schulen wie der NMS Viehofen sind zweifelslos um vieles geringer und am Beispiel des Volksheimes Viehofen sieht man, daß manchmal auch ein absolut sicherer Garten inkludiert ist.

Kunst wird im Allgemeinen elitär wahrgenommen, weil nur die Wohlhabenden sich die Zeit dafür nehmen können sie zu praktizieren und das Geld, sie zu erwerben. Aber wie Wissenschaft ist Kunst ein Phänomen, das in der Breite der Gesellschaft gedeihen muss. Indem man sich für eine Berliner Kunstprofessorin als künstlerische Leitung für das Kikula entschieden hat, sendet man eine indirekte Nachricht in die Bevölkerung: Kunst ist elitär. Anstatt lokale Jugend- und Sozialarbeiter mit Zusatzausbildungen und entsprechenden Ressourcen auszustatten, ist in der Besetzung der künstlerischen Leitung eine Parallele zu den berühmten Opernhäusern zu erkennen, wo erst der Name des Intendanten das Haus zum Schillern bringt.

Pädagogik funktionert anders. Es ist einerseits der Raum und die Möglichkeiten, die man dem Kind täglich erschließt und es sind andererseits die Pädagogen, die mit Kindern täglich oder oft Zeit verbringen, die Kinder wachsen und strahlen lassen. Sie können auf Kinder holistisch eingehen, weil sie sich die Zeit nehmen, Kinder holistisch zu verstehen, mit ihren Problemen, Einschränkungen, Begabungen und Interessen. Derartiges ist an einem Ort, den man weniger Male in einem Jahr aufsucht, schwer, wenn überhaupt möglich. Schon im Regelunterricht ist es eine Herausforderung als Lehrer auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kinder einzugehen und ihnen – wiederum nach Robinson – einen Zugang zu ihrem Element zu vermitteln.

Wollte man also Bildung am Standort St. Pölten wirklich neu denken, so hätte man diese gewaltige Summe anders einsetzen müssen. Mehr Lehrpersonal in den städtischen Schulen und kleinere Klassen, um bessere Betreuungsschlüssel zu erreichen. Dreidimensionales Lernen, um Kinder mit Migrationshintergrund schneller in der deutschen Sprache Fuß fassen zu lassen. Viele Bildungsmaßnahmen fallen uns ad hoc ein, die wir als Entscheidungsträger vor dem Projekt Kikula angegangen wären. In diesem Zusammenhang ist es kurios, dass der Stadt 20 Millionen für den Teuerungsausgleich fehlen, also die Finanzierung von Grundbedürfnissen nicht gesichert ist, und sie diese vom Bund verlangt, während mit eindrucksvoller Entschlossenheit eine ebenso große Summe für einen zentralistisch konzipierten Kunsttempel freigemacht wird. Das Kikula reflektiert somit lokal, was global seit einigen Jahren beobachtet wird: wir verteilen von unten nach oben, anstatt unsere Gesellschaften fairer zu gestalten.

Pädagogik und macht

Diese Verteilungspolitik widerspricht sozialistischen Grundwerten und erscheint als ein politisches Ding der Unmöglichkeit in einer traditionellen Arbeiterstadt – und doch wird das Kikula Realität. Was ist die Motivation hinter derartigen Entscheidungen? Warum verbünden sich die christlich-soziale Landesregierung mit der sozialdemokratischen Stadtregierung für dieses Projekt? Die Antwort liefert die zweite Wiener Schule der Psychotherapie, welche nicht wie Freud in der Libido, sondern nach Alfred Adler, die Macht als Antrieb für menschliches Handlen erkannte.

Ein Blick in die Struktur der städtischen und jener Betriebe des Landes zeigt, dass anstatt dezentraler Kulturförderung seit Jahren Institutionen aufgebaut werden, die Macht im Kunst- und Kulturbereich konzentrieren. Die Plexiglas-Ständer, die an verschiedensten Standorten das Kulturangebot in St. Pölten feilbieten, zeigt nicht eine durch Steuergelder diverse Kulturlandschaft, sondern ausschließlich durch Steuergeld geförderte Kulturinstitutionen, die im Eigentum von Stadt und Land stehen. Es herrscht in St. Pölten und Niederösterreich quasi ein staatliches Monopol auf Kultur, das wirklich kreativen Köpfen keinen Raum für Schöpfung gibt.

Ein eingesessener St. Pöltner beschrieb die Situation im Sommer treffend: „Neben den Versuchen in der Seedose und im Sonnenpark, gibt es in der Stadt keine freie Szene. Es ist alles unter Kontrolle.“ Dieser Zustand wird sich mE durch das Kikula weiter verschlechtern, da es den unter Finanznöten leidenden Sonnenpark und das dort befindliche Klimaforschungslabor untergraben wird. Genauso wie das Kulturheim Viehofen, sind die Gebäude des Sonnenparkes schwer renovierungsbedürftig. Im Unterschied zum Kulturheim Viehofen muß im Sonnenpark aber keine lokale Kulturbewegung geschaffen werden: sie existiert dort bereits seit 20 Jahren. Weder Stadt noch Land haben dieser wichtigen grassroot Initiative bisher ausreichend unter die Arme gegriffen. Nicht einmal ein Nextbike Stand wurde dort installiert.

Ein wacher Bürger muss erkennen – und viele haben dies schon – dass ein absolut regiertes Land und eine absolut regierte Stadt – das Problem hinter dem Kikula sind. Wir zeigen mit Fingern auf China, wo sich ein Parteivorsitzender, dessen Namen nicht mehr ausgesprochen werden darf, eine dritte Amtsperiode sicherte. Wir lesen in verschiedensten Medien wie wir die Verteidigung der Demokratie unterstützen müssen. In unserem eigenen Hinterhof schaffen wir es jedoch nicht wahre Partizipation zu leben. Eine Änderung der betreffenden Gesetze, welche die Amtsperioden von Stadt- und Landespolitikern auf maximal zwei Legislaturperioden limitieren, ist überfällig.

Weiterlesen:
• https://www.meinbezirk.at/st-poelten/c-lokales/kikula-im-altoonapark-protestkundgebung-von-buergern_a3699753
• https://www.meinbezirk.at/st-poelten/c-politik/spoe-braucht-sich-ueber-proteste-nicht-wundern_a4680254
• https://kurier.at/chronik/niederoesterreich/sankt-poelten/polit-eklat-um-12-millionen-euro-teures-projekt-in-st-poelten/401398398
• https://www.st-poelten.at/news/presse/17508-beschluesse-im-stadtsenat-und-gemeinderat-vom-24-oktober
• https://m.noen.at/st-poelten/st-poelten-344-stimmen-fuer-das-kikula-st-poelten-kikula-altoona-park-redaktion-268150446
• https://noe.orf.at/stories/3093136/
• https://www.facebook.com/stpoelten/photos/a.120296326077140/278324856940952/?type=3
• https://www.youtube.com/watch?v=hhh-fcZKox4
• https://www.ted.com/talks/sir_ken_robinson_do_schools_kill_creativity
• https://www.goodreads.com/book/show/16158494-finding-your-element
• https://www.tinkeringschool.com/